Umwelthormone könnten Risiko für Frühgeburten erhöhen | STERN.de

2022-09-10 12:15:55 By : Ms. Nora liao

Schwangere machen sich viele Gedanken darum, was sie essen können und von welchen Lebensmitteln sie besser die Finger lassen sollten, um den Fötus nicht zu schädigen. Doch Schadstoffe, die wir Menschen nicht sehen können, haben womöglich einen Einfluss auf die Schwangerschaft. Forschende vom US- National Institute of Enviromental Health Science haben nun herausgefunden, dass Phthalate das Risiko für eine Frühgeburt erhöhen könnten. Phthalate kommen in vielen Kunststoffen vor, weil sie dort als Weichmacher eingesetzt werden. Sie stecken zum Beispiel in Lebensmittelverpackungen aus Plastik, Kinderspielzeug, Fußböden oder Kosmetika.

Phthalate sind Umwelthormone. In der Fachsprache werden diese Chamikalien als endokrine Disruptoren bezeichnet. "Umwelthormone sind Schadstoffe. Sie sind so ähnlich aufgebaut wie Hormone und können dem Körper dadurch vorgaukeln, dass sie echte Hormone seien. Die Schadstoffe binden sich beispielsweise an Rezeptoren in unserem Körper, die eigentlich für Hormone vorgesehen sind und können so schädliche Wirkungen hervorrufen", erklärt die Journalistin Katharina Heckendorf, die sich intensiv mit Umwelthormonen beschäftigt hat, im Interview mit "GEO".

Doch wie gelangen Phthalate in den Körper? Sie lösen sich zum Beispiel aus Verpackungen und so gehen die Schadstoffe in die Nahrung über und werden so aufgenommen. Weil Phthalate breit eingesetzt werden, lassen sich bei fast allen Menschen in reicheren Ländern Abbauprodukte von diesen im Urin nachweisen. Eine Studie der Universität Lausanne konnte bei jedem zweiten Kleinkind zwischen sechs Monaten und drei Jahren unter anderem Phthalate im Körper nachweisen. Das Problem: Wenn endokrine Disruptoren wie Hormone im Körper wirken, kann dies negative Folgen haben. Zum Beispiel eine Störung der Schwangerschaft.

Forschende um Kelly Ferguson haben die Daten von 16 Untersuchungen, die zwischen 1983 bis 2018 durchgeführt wurden, analysiert. Dabei wurden auch Urinproben der Schwangeren entnommen, dadurch konnten die Wissenschaftler:innen bestimmen, wie hoch die Konzentration von Phthalaten im Urin von 6045 Teilnehmer:innen ist. Kelly Ferguson und ihr Team die Konzentration von Phthalaten mit der Schwangerschaftsdauer in Verbindung gebracht.

Das Ergebnis: Frauen mit höheren Konzentrationen von Phthalaten im Urin entbinden ihre Babys mit größerer Wahrscheinlichkeit vorzeitig – das heißt drei oder mehr Wochen vor dem errechneten Geburtstermin. "Eine Frühgeburt kann sowohl für das Baby als auch für die Mutter gefährlich sein, daher ist es wichtig, Risikofaktoren zu identifizieren, die dies verhindern könnten", sagte Kelly Ferguson in einer Mitteilung. Nach Berechnungen von Kelly Ferguson würde es die Zahl von Frühgeburten deutlich reduzieren, wenn Schwangere die Phthalatexposition um 50 Prozent reduzieren würden. Auf 1000 Lebendgeburten würden nach ihren Berechnungen statt momentan 90 weniger als 79 Frühgeburten kommen. Exposition bedeutet in der Medizin, dass man einem Stoff ausgesetzt ist, der gesundheitsgefährdend sein könnte.

Doch die Ergebnisse haben eine Einschränkung: Die Forschenden können nicht ausschließen, dass neben der Phthalatkonzentration im Urin auch andere Faktoren eine Rolle bei der Schwangerschaftsdauer gespielt haben. Doch  Barrett Welch,  Erstautor der Studie, rät Schwangeren zur Prävention. Sie sollten versuchen, Umwelthornomen im Alltag so gut wie möglich aus dem Weg zu gehen. Auch eine Reduzierung im Alltag sei positiv. Er räumt ein: "Es ist für Menschen schwierig, die Exposition gegenüber diesen Chemikalien im Alltag vollständig zu eliminieren, aber unsere Ergebnisse zeigen, dass selbst kleine Reduzierungen innerhalb einer großen Bevölkerung positive Auswirkungen auf Mütter und ihre Kinder haben könnten."

Er rät Schwangeren dazu, möglichst frische, hausgemachte Lebensmittel zu essen. Verarbeitete Lebensmittel, die in Plastikbehältern oder Plastikverpackungen stecken, sollten sie dagegen meiden. Verbraucher:innen sollten auf Produkte zurückgreifen, die als " phthalatfrei" gekennzeichnet sind. Es sei auch gut, auf Produkte mit Duftstoffen zu verzichten, da darin auch Phthalate stecken können. Zum Beispiel in Kosmetika und Lufterfrischern.

Quellen: Studie in Jama Pediatrics, Mitteilung zur Studie, Umweltbundesamt, GEO, Katharina Heckendorf (2021): "Umwelthormone. Das alltägliche Gift.", Goldmann

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